Design Thinking für NonProfits – den Innovations-Ansatz nutzbar machen

Denken wir an einen Gegenstand, den wir unheimlich praktisch finden. Oder an ein Unterstützungsangebot, das wir als sehr hilfreich erlebt haben. Oder eine Weiterbildung, aus der wir angeregt und zufrieden gegangen sind. Oder eine Website, auf der wir schnell das gefunden haben, was uns interessiert.

All das sind Beispiele, wo etwas auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmt ist. In diesem Beitrag stelle ich einen Innovationsansatz vor, der sich eignet, genau solche zufriedenstellenden Lösungen zu entwickeln. Wo kann uns „Design Thinking“ helfen? Und was sind Besonderheiten, wenn wir damit in den Bereiche Nachhaltigkeit, Soziale Innovation, Bildung oder Politik arbeiten?

Was ist Design Thinking?

„Design Thinking“ ist ein aktueller Ansatz der Innovation und Problemlösung. Dabei macht er kreative Herangehensweisen für eine Vielzahl von Anwendungsfeldern nutzbar, ganz ohne „Designer*in“ sein zu müssen. Design Thinking wird z.B. für die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen, für die Lösung komplexer Probleme und in Beratungssettings angewandt.

Design Thinking ist Haltung und Methode zugleich. Das Mindset ist von Neugierde, Empathie, kreativem, lösungsorientiertem Denken und einer hohen Bereitschaft zum Testen geprägt. Je nach Strömung werden 5-9 Designphasen in mehreren Schleifen (Iterationen) durchlaufen – siehe Grafik. Als Instrumentarium steht dabei eine Vielzahl von konkreten und oft spielerisch-interaktiven Methoden bereit. Am Ende des Design-Thinking-Prozesses stehen Lösungen, die sehr gut auf die Lebenswirklichkeiten und Wünsche der Dialoggruppen abgestimmt sind, und damit mit hoher Wahrscheinlichkeit gut in der Umsetzung funktionieren.

design-thinking-prozess Schaubild

Das macht Design Thinking aus meiner Sicht besonders:

  • Der Prozess ist kollaborativ und interaktiv angelegt. Idealerweise arbeiten Menschen mit verschiedensten fachlichen Hintergründen gemeinsam an einer Herausforderung und bringen ihre jeweilige Expertise ein.
  • Design Thinking fördert das Denken jenseits eingeschliffener Herangehensweisen und Weltbilder. Wenn man die eigene Neugierde und dem inneren Spieltrieb von der Leine lässt, können erstaunliche Ideen entstehen.
  • Die Herangehensweise ist auf Menschen fokussiert. Klingt banal, doch selbst bei sozialen, gemeinnützigen und politischen Organisation stehen nicht immer die Stakeholder*innen im Fokus, für die man etwas anbieten möchte. Design Thinking dockt an konkreten Bedarfen, Abläufen und Verhaltensweisen der Dialoggruppen an, koppelt die Lösung mit ihnen zurück oder lässt sie direkt selbst mitentwickeln (Co-Creation).
  • Design Thinking befreit vom Anspruch, etwas Neues in einem linearen Prozess (Schritt 1→ 2→3 …) zu erarbeiten. Iterativ mehrere „Schleifen zu drehen“ und dabei voran zu schreiten wird normal und hilfreich! Gleichzeitig bietet das oben genannte Phasenmodell eine gute Orientierung im größeren Prozess.
  • „Fail early, fail fast.“ („Scheitere frühzeitig und schnell.“) Gefundene Lösungsansätze werden frühzeitig als Prototypen präsentiert und getestet (z.B. in Form von Website-Skizzen, Raummodellen, Rollenspielen, Darstellungen des Nutzungserlebnisses). Durch diese Rückkopplungen können Sackgassen und spätere aufwendige Anpassungen vermieden werden. Und das bevor z.B. ein Projekt detailliert beantragt oder eine Veranstaltung geplant ist.

„So what!? Das machen wir doch schon irgendwie… oder?“

Ja, ich hatte schon Kolleg*innen, die ein gutes Gespür für ein passendes Projekte zur passenden Zeit hatten. Doch ich habe auch schon Projekte, Veranstaltungen und Aktionen scheitern sehen – u.a., weil wir uns nicht grundlegend auf unsere Dialoggruppe eingelassen haben. Die Hürde, offen und ohne fertiges Angebot auf Menschen zuzugehen, nenne ich seither die „Angst vor der Zielgruppe“.

Testfragen können sein:

  • Entwickeln wir ein Projekt kurz vor Antragsschluss oder nehmen wir uns genug Zeit, um „in den Schuhen der Anderen“ (der Zielgruppe / Dialoggruppe / Nutzer*innen / Klient*innen) zu gehen?
  • Ist das Vorhaben „mein Schatz“ oder bin ich bereit für multiprofessionelles Teamwork?
  • Checke ich nur ab, ob meine Lieblingsidee ankommt, oder bin ich offen für noch bessere Lösungen?
  • Traue ich mich, nach ehrlichem Feedback bei den Stakeholdern zu fragen und sie und ihre Wünsche aktiv einzubeziehen?

Wie kann ich Design Thinking nutzen?

Der Ansatz ist vielfältig nutzbar – vom Übernehmen ausgewählter Methoden, über die Entwicklung eines Angebotes, bis hin zur festen Implementierung in den Abläufen und in der Kultur einer Organisation. Manchmal wird ein Design Thinking-Prozess intern angeleitet, manchmal durch externe Moderator*innen.

Hier einige Anwendungsfälle:

  • eines unserer Angebote, Produkte oder Dienstleistungen überarbeiten bzw. neu entwickeln
  • einen weiteren Tätigkeitsbereiches oder ein neues Projekt konzipieren
  • gemeinsam mit Behörden oder Kooperationspartnern nach neuen Ansatzpunkten suchen
  • Veranstaltungsdesign (Jubiläumsfeier, Weiterbildung, Konferenz…)
  • politische oder Fundraising-Aktionen entwerfen
  • Elemente unserer Öffentlichkeitsarbeit auf Zielgruppen abstimmen (z.B. Websites)
  • physische Räume so gestalten, dass sie ihre Funktion erfüllen (z.B. Beratungsstellen, Aufenthaltsbereiche, öffentliche Parks, …)
  • das Zusammenleben im Stadtteil, Dorf oder Land weiterentwickeln
  • Abläufe und Zusammenarbeit im Team oder im Netzwerk auf die Bedarfe anpassen
  • kreative Haltungen und Methoden in Einzelberatungen, Team-Meetings oder Workshops nutzen

Ein Missverständnis und drei Besonderheiten für NonProfits

Betrachten wir nun Besonderheiten, wenn wir Design Thinking aus dem kommerziellen Anwendungsbereich herauslösen. Denn in diesem hat er sich popularisiert, was man an manchen Stellen merkt.

1. Innovation im Dienste des Guten

Die Zeiten sind schnelllebig, insbesondere die digital-technologische Entwicklung überschlägt sich. Für Unternehmen wird hier Innovation zum Lebenselexir . Doch ist das auch für Sozialwirtschaft und NGOs so existentiell?

Wahrscheinlich nicht kurzfristig und nicht in diesem Maße. Aber seien wir ehrlich – auch auf „Sinnmärkten“ gibt es Konkurrenz, z.B. um Fördermittel, Spenden und Freiwillige. Und auch unsere Zielgruppen verändern sich im ständigen gesellschaftlichen Wandel (z.B. ihre Kommunikationskanäle im Rahmen der Digitalisierung). Veränderte gesellschaftliche Lagen bringen zudem für den Nonprofit-Bereich neue Tätigkeitsfelder auf die Agenda, insbesondere in Krisenzeiten. Eine sich wandelndes Umfeld macht schlicht auch Veränderungen meiner Arbeit notwendig. Eine weitere Ebene ist die der notwendigen sozial-ökologischen Transformationen – hier spielt Innovation in vielen Lebensbereichen eine essentielle Rolle.

Jedenfalls: Im NonProfit-Bereich wäre „Innovation über alles“ nicht angemessen. Aber Innovation im Dienste unserer jeweiligen Werte, Visionen und Organisationsziele ist notwendig.

2. Volle Kontrolle

Das Thema Innovation löst im NonProfit-Sektor nicht nur Begeisterung aus, sondern stößt auch auf Ablehnung: „Und wenn ich kein youtube-Star werden will…!?“ Doch ein Design Thinking-Prozess ist völlig ergebnisoffen und favorisiert keinen Trend. Der Ansatz hilft schlicht, zielgruppengerechte Lösungen zu finden. Dass dabei „etwas Digitales“ heraus kommen müsse, ist ein Missverständnis. Die Entscheidungsgewalt darüber, welche Ideen weiter verfolgt werden und welche nicht, liegt selbstverständlich bei der anwendenden Organisation.

3. Kriterien für das 21. Jahrhundert mit dem Zauberwort UND

Was macht eine gute Lösung aus? Design-Thinker*innen aus dem Wirtschaftssektor erklären oft, es ginge um Innovationen in der Schnittmenge aus Wünschenswertem (Zielgruppe) UND Rentabilität (Unternehmen) UND Machbarkeit (Technologie). Für soziale, politische oder staatliche Akteure müssen wir diese Zielstellung etwas anpassen. Außerdem greift sie zu kurz.

Ich schlage vor auf Seite der Organisation allgemein von Organisationsinteressen zu sprechen (z.B. dass etwas zu meinem Leitbild passt und finanzierbar ist). Bei Machbarkeit geht es nicht nur um Technologie, sondern auch um etwas Wichtiges, das auf jeden Fall in Neuerungen einfließen sollte: Die langjährigen Expertise der Beteiligten darüber, was fachlich funktioniert und was nicht. Machbarkeit wird außerdem oft durch die behördliche Vorgaben und Förderbedingungen abgesteckt. Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass im 21. Jahrhundert jede Neuerung soziale und ökologische Kriterien im Sinne von Nachhaltigkeit einbeziehen sollte. So entsteht ein Schaubild, das eine grobe Zielrichtung für die Lösungssuche vorgibt, die Innovation Flower (Innovationsblume). Dieses können wir im jeweiligen Anwendungsfall um spezifischere Bewertungskriterien erweitern.

design-thinking-innovation-flower

4. Gelegenheiten schaffen

Welche Nonprofit-Organisation hat schon eine Entwicklungsabteilung, die sich voll auf Neues konzentrieren kann? In größeren Verbänden gibt es erste entsprechende Sonderprojekte, etwa Innovationslabore. Doch oft entstehen neue Projekte und Ideen irgendwie nebenbei im laufenden Geschäft, in langen Tagen vor Antragsschluss oder gleich ganz jenseits der Arbeitszeit als zusätzliches Engagement… Wenn wir funktionierende Dienstleitungen, Angebote, Projekte etc. wollen, braucht dies jedoch Zeit, Geld und unsere gezielte Aufmerksamkeit.

Dabei ist jedoch nicht gesagt, dass wir insgesamt mehr Zeit brauchen (besonders wenn man alle vermiedenen zukünftigen Rückschläge einkalkuliert). Wie kann das gehen? Bei Projekten ist es eine Möglichkeit, diese nicht detailliert ausgeplant zu beantragen, sondern prozessorientiert anzulegen. Wenn es z.B. um Jugendpartizipation geht, ist dies ohnehin üblich. Dann wird die Angebotsentwicklung Teil des laufenden Projektes und die nötigen Ressourcen stehen leichter zur Verfügung. Hierzu müssen manche Fördergebenden allerdings ihre Bewilligungskriterien weiterentwickeln. Eine andere Möglichkeit ist, langfristig Raum für Entwicklungsworkshops einzuplanen (z.B. 3 verteilte Tage im Quartal), dann muss die Zeit nicht kurzfristig abgeknapst werden und es bleibt Gelegenheit die Dialoggruppen aktiv mitwirken zu lassen.

Das Fazit – Design Thinking für NonProfit-Organisationen:

  • Design Thinking ist ein nützlicher Ansatz, um lebensdienliche Innovation anzugehen.
  • Der kreative Spirit und die spielerischen Methoden sind für viele Herausforderungen nutzbar, weit über klassische Produktentwicklung hinaus.
  • Wenn wir Nachhaltigkeit, Soziale Innovation, Bildung oder Politik voran bringen wollen, müssen wir gezielt Gelegenheiten und Ressourcen für Neuentwicklung schaffen.

Wenn Sie wollen, dann nehmen Sie sich eine der Fragen mit auf den Weg:

Wo ist in meiner Organisation eine andere Lösung gesucht?“

Wo kann ich Wünsche der Nutzer*innen integrieren, damit Dinge noch besser laufen?“

Wie schaffen wir Raum für Neues und finden Zugang zu unserem kreativen Spirit?“


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